Verkehrsunfall – was tun?
Verkehrsexperte Klaus Robatsch vom Kuratorium für Verkehrssicherheit gibt uns einen kompakten Leitfaden für eine Stresssituation, die keine:r will, in die aber jede:r geraten kann.

Es gibt wohl niemanden, der:die nicht schon mindestens einmal auf der Gegenfahrbahn der Autobahn die Blaulichter und die endlose Staukolonne gesehen hat und dabei insgeheim dachte: „Zum Glück nicht auf meiner Seite, und zum Glück nicht ich!“
Aber was, wenn es uns tatsächlich einmal selbst erwischt und wir in einen Verkehrsunfall verwickelt sind? „Auch wenn es nicht einfach ist, weil die Situation zwangsläufig Stress verursacht, ist die oberste Regel: Ruhe bewahren“, betont Robatsch. Denn nur mit klarem Kopf lassen sich die notwendigen Handlungsschritte zielführend erledigen.
1. Absicherung des Unfallortes
Und zwar in dieser Reihenfolge (W-W-P):
- Warnblinkanlage einschalten
- Warnweste anziehen
- und das Pannendreieck aufstellen.
Bei letzterem ist der klare Kopf schon das erste Mal gefragt, weil es einiges zu berücksichtigen gibt. Da sind zunächst einmal der Ort des Unfalls und die Geschwindigkeit, mit der sich andere Fahrzeuge diesem nähern. Denn das Pannendreieck muss (immer am rechten Fahrbahnrand) so aufgestellt werden, dass andere rechtzeitig anhalten können:
Bei 30 km/h sind das etwa 13 Meter
bei 50 km/h circa 30 Meter und
bei 100 km/h bereits 100 Meter.
Dann muss auch noch die Sicht berücksichtigt werden, denn bei Dämmerung oder Dunkelheit kann die Reaktionszeit der herannahenden Fahrzeuglenker:innen eine ganz andere sein als bei Tageslicht und klarer Sicht.
2. Hilfe holen
Sind bei dem Unfall...
... Personen zu Schaden gekommen?
Dann ist sofort der Notruf (144) zu wählen und die Rettung anzufordern. Im Rahmen der Möglichkeiten und der Ausbildung sollten wir auch unverzüglich Erste Hilfe leisten, denn es gilt immer und ausnahmslos: Es ist besser, ein bisschen Hilfe zu leisten als nichts zu tun! Wenn es Verletzte gibt, sollten wir unverzüglich nach der Rettung auch die Polizei anfordern (und nicht davon ausgehen, dass diese ohnehin automatisch von den Rettungskräften verständigt wird).
... nur Fahrzeuge beschädigt worden?
Bei Sachschadenunfällen muss die Exekutive nicht alarmiert werden, wenn es nur die Fahrzeuge der Unfallbeteiligten betrifft. Da geht es lediglich um den Austausch von Namen, Adressen und Versicherungsnummern – und darum, stets ein Unfallerhebungsblatt mitzuführen. Denn je genauer der Vorfall im Moment des Geschehens beschrieben wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, im Nachhinein eine böse Überraschung zu erleben, was Unfallhergang und Diskussion der Schuldfrage betrifft. Deshalb ist auch zu empfehlen, so viel wie möglich gleich mit Fotos zu dokumentieren.
... Sachschäden an Dritten entstanden?
Dann muss unbedingt die Polizei verständigt werden. Das kann ein Verkehrszeichen, ein umgefahrener Zaun oder ein geparktes Fahrzeug sein. Verlassen wir da nämlich den Unfallort nach Austausch der Daten mit dem Unfallgegner einfach so, gilt das rechtlich als Fahrerflucht und hat deutlich schlimmere und kostspieligere Konsequenzen als der Blechschaden am Fahrzeug.
3. Nicht unterschreiben, um wegzukommen
Am Ende der Handlungskette gilt wieder dieselbe Grundregel wie am Anfang: Ruhe bewahren. Denn die meisten Menschen wollen, einem natürlichen Reflex folgend, einfach nur weg aus der Situation und vom Ort des unliebsamen Geschehens. Aber es ist ganz wichtig, sich alles noch einmal genau durchzulesen, was da dokumentiert wurde und nicht nur deshalb zu unterschreiben, um so schnell wie möglich wegzukommen.
Speziell bei Personenschaden oder strittigen Situationen sollten wir uns auch unbedingt noch die Zeit nehmen, die Daten von Augenzeugen zu notieren. Das kann bei möglichen Streitfällen nach einem Unfall von großer Bedeutung sein.
Zur Person:
Dipl.-Ing. Klaus Robatsch ist seit 2005 Bereichsleiter für Verkehrssicherheit im Kuratorium für Verkehrssicherheit. Der gebürtige Kärntner arbeitet außerdem als Universitätslektor an der TU Wien und Lektor an der Fachhochschule des BFI für Logistik und Transportmanagement. Zudem ist der renommierte Verkehrsexperte der Ansprechpartner für die Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) in Österreich für Fragen der Unfall-Prävention.